Experience Economy: Erlebniskommunikation als Vorreiter

Unsere freie Mitarbeiterin und Kommunikationsexpertin Bettina Laux und Event-Regisseur Chris Cuhls beleuchten in diesem gemeinsamen Gastbeitrag, warum Erlebnisse so wichtig sind, wie man sie gestaltet und wie man die digitalen Kanäle dafür nutzen kann. Und wer noch ein wenig tiefer einsteigen will, findet am Ende weitere Podcast- und Buchtipps.  

Bettina Laux und Chris Cuhls

 

Das perfekte Erlebnis des Gastes entlang jedes Touchpoints – das war schon immer die Haltung der Eventbranche und bringt das Ziel der „Experience Economy“ auf den Punkt. Dabei werden die Erfahrungen des Kunden mit dem Produkt und der Marke in den Mittelpunkt des eigenen Handelns gestellt. Doch wie gelingt das in einer digital disruptierten Event-Welt? Wie verändert die Pandemie das Erleben von Events - vor allem wenn im virtuellen Raum drei der fünf Sinne ausgeschaltet sind?

Die Ersten, die den „Experience Economy“ Megatrend bereits 1998 vorhergesagt haben, sind die beiden Autoren B. Joseph Pine II und James H. Gilmore. In ihrem Buch „The Experience Economy: Work Is Theatre and Every Business a Stage“ begründeten sie wie folgt: Verbraucher würden Produkte in Zukunft nicht mehr „nur“ kaufen wollen, sondern zunehmend nach Kauferlebnissen verlangen.

Im Bild: "The Power of Experience" bei der SAP CONNECT

Warum die „Erlebniswirtschaft“ jetzt mehr denn je wichtig ist…

Knapp 25 Jahre später sehen wir: Die Pandemie hat den digitalen Wandel beschleunigt – und gleichzeitig die Sehnsucht verstärkt, das Leben nicht nur intellektuell zu verarbeiten, sondern auch (wieder) emotional zu spüren. Ob als Teilnehmer*innen einer Veranstaltung, oder als Redner*innen, der nach seinem Vortrag von Zuhörenden beglückt wird – in beiden Fällen ist Dopamin im Spiel und löst ein Glücksgefühl in uns aus. Wir gehen an den Ort, den wir emotional brauchen. Und wollen mehr davon. Hier liegt der Kern: Die Bedürfnisse unserer Zielgruppen zu befriedigen.

„Ein Erlebnis ist etwas, was nicht nur dazu da ist, damit irgendjemand mehr verkauft oder damit eine Stadt sich großartig präsentiert, sondern ein Erlebnis bespielt ja uns immer selbst.“ analysierte der „Marketing Experience Papst“ Dr. Christian Mikunda kürzlich im Podcast „What’s next? – Events im Wandel“.

Auch wenn wir bei digitalen Kanälen auf weniger Sinne setzen können als bei Live-Events, so bleibt der Fakt, dass beim Shift von analogen zu digitalen Erlebnissen eine immersive Erfahrung gestaltet werden muss, die überzeugt und (an)zieht. Und das wird dann auch belohnt.

 

Auch wenn wir bei digitalen Kanälen auf weniger Sinne setzen können als bei Live-Events, so bleibt der Fakt, dass beim Shift von analogen zu digitalen Erlebnissen eine immersive Erfahrung gestaltet werden muss, die überzeugt und (an)zieht. Und das wird dann auch belohnt.

Events als Erlebniskommunikation sind die Vorreiter der Experience Economy

Welche Erkenntnisse helfen Unternehmen ihre digitalen Erlebnisse als Experience auszurichten?

Du musst deine Kunden, dein Publikum, den Menschen ein bisschen gernhaben! Das ist das Credo von Dr. Christian Mikunda nach vier Dekaden der Forschung, Lehre und Praxis. Er ist Dramaturg und Fernsehjournalist, Autor und Berater rund um das Thema Marketing-Dramaturgie.

Seine Theorie ist, dass die strategische Dramaturgie der Wirkungssteigerung dient. Sie definiert die dramaturgischen Kunstgriffe und identifiziert die psychologischen Mechanismen hinter professionell hergestellten Erlebnissen.

Auf seinen Lernexpeditionen aber auch im Podcast-Gespräch zeigt Dr. Christian Mikunda mit scharfem Blick auf, warum und wie Erlebnisse funktionieren. Von ihm können wir viel über Emotionen lernen, wie wir Brand Scripts finden und zum Leben erwecken, sowie kognitive Landkarten unsere Erlebnisse wirkungsvoller machen. Kurzum: Es geht um die Gestaltung positiver Erlebnisse – ob sie Marke oder Produkte, Kunden wie Mitarbeitende betreffen. Dabei bilden die Bedürfnisse der Zielgruppe immer die Basis.

Zwei Beispiele:

Was macht Amazon zum Top Player? (Welche Bedürfnisse befriedigen sie?)

  • Kurze Kaufprozesse und schnelle Lieferung (einfach, schnell, unkompliziert)
  • persönliche Empfehlungen (spezifische Inspiration basierend auf meinen Vorlieben)
  • präzise Produktpräsentation (Information, Klarheit) und
  • hilfreiche Kundenbewertungen (Sicherheit, Vertrauen).

Oder Ikea?

  • Das schwedische Möbelhaus hat Entrance Maps, damit sich die Kunden jederzeit im Labyrinth zurechtfinden und wissen, wo sie sind.
  • Diese räumliche Orientierung jetzt auch in den City Stores beizubehalten, die Ikea in einigen Städten gerade über 7 Stockwerke errichtet – eine echte Herausforderung.

Hinter der Erlebnisgestaltung stecken Gefühle von Neugier, Lust und Verlangen. Wie kann man diese konsequent ins Erleben digitaler Räume übertragen? Die Gaming-Industrie macht uns das vor.

Es geht darum, den Menschen ernst zu nehmen und seine Bedürfnisse zu sehen – dann kann ein Marketing entstehen, das beiden Seiten guttut. Dabei geht es vor allem um emotionale Geschenke bei einem Erlebnis, das, was der Kunde, dein Publikum, der Mensch, mit dem du dich verbinden möchtest, mitnehmen kann. Deshalb gilt es Orte zu schaffen, an denen der Mensch gerne länger verweilen möchte und positiv gestimmt wird, um sich deinem Angebot zuzuwenden.

Im Bild: Marken sollen heutzutage zumeist live und digital erlebbar sein, hier bei der SAP CONNECT

Wie gestalten wir diese Art von Erlebnissen im digitalen Raum?

Unser Credo: „Umso digitaler, desto analoger“.

Was das konkret heißt? Dazu vier Thesen:

1. Menschen lieben Vertrautes, Dinge, die sie kennen. Diese gilt es in den (virtuellen) Raum zu holen.
Beispiel: Warum stellen wir Redner*innen vor LED-Wände, die ein subtil kaltes Licht in die Kamera werfen und auch noch pixelig in der Kameraeinstellung wirken? Die Vorstände der größten deutschen Bank habe ich bewusst vor einer Kulisse aus dunkelbraunem Holz positioniert. Das Setup erdet im wahrsten Sinne des Wortes, schafft Wärme und Nähe und somit Vertrauen.

Daher der Tipp: Die Grundbedürfnisse von Menschen ändern sich nicht, es gilt diese nur in den neuen Kanälen angemessen zu erfüllen: Sicherheit, Selbstwert, Bindung. Wer sich über die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse Gedanken bei seinen Formaten und Produkten macht, gewinnt!

2. Der Vorteil der Digitalisierung ist die Demokratisierung: Alle können sich beteiligen – und genau das dürfen wir in der Interaktion aufgreifen und nutzen!
Co-Creation ist hier das Gebot der Stunde – ganzheitlich vor, während und nach dem Event. Angefangen von der Ermittlung von Themen, die bei dem Event besprochen werden sollen. Über die Art, wie wir das Programm gestalten, als gesunden Mix von Keynote und Breakouts, in denen Teilnehmende zu aktiven Teilgebenden werden. Auch im Nachgang können wir Teams mit den gewonnenen Erkenntnissen in interdisziplinäre Kollaboration bringen. So sorgen wir für Augenhöhe und Teilhabe, die einbindet und Erlebnisse schafft! Digital wie analog.

3. Der Mut zur Kürze: Wir können kürzer, interaktiver und mutiger werden.
Im Theater kann ich über drei Akte in zwei Stunden inszenieren. Bei YouTube entscheiden wir uns in den ersten zwei Sekunden, ob wir wirklich drei Minuten dranbleiben.
In der Gestaltung von Inhalten braucht es also permanente Reize, die wieder die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sieben Thesen, wie Online Events besser werden, gibt es nachzulesen bei den Eventregisseuren.

4. In die Verantwortung gehen – als Mensch und Unternehmen: Wir sollten ganzheitlicher und fokussierter zugleich denken – und dann kommunizieren.
In einer Welt, die immer und alles verfügbar macht, braucht es Fokus. Wim Wenders sagte einmal: „Alles was mit Liebe gemacht wird, hat Bestand.“ Wenn wir uns die Mühe machen, die Bedürfnisse zu verstehen und dann viele, kleine Erlebnisse entlang einer Kommunikationskette gestalten, kommt das an:

  • Also qualitative Erlebnisse, die meine Bedürfnisse treffen, aber nicht nur einmal im Jahr, sondern wiederkehrend und nicht-endend.
  • Unterjährig in Kontakt bleiben, um Verbindung aufzubauen.
  • Die Möglichkeiten von digitalen Kanälen begreifen, nutzen und geschickt kombinieren, um definierte Ziele zu erreichen.

Immer basierend auf den Bedürfnissen. Dann wird’s was mit den Erlebnissen, die etwas bewirken.

Welche Fragen kann ich mir als Unternehmen stellen, wenn ich meine Events stärker darauf ausrichten möchte?

  • Kennen und fokussieren wir uns bereits auf die Bedürfnisse unserer Kunden?

  • Verstehen wir diese Bedürfnisse?

  • Welche emotionalen Erlebnisse möchten wir unserem Kunden schaffen?

  • Mit welchem Gefühl soll unser Kunde aus dem (digitalen) Event gehen? Und was können wir tun, um ihn genau auf dem Weg zu diesem Gefühl zu begleiten?

  • Welche Lösungen bieten wir, die eine besondere Erfahrung ermöglichen?

  • Sind wir fokussiert in dem was und wie wir kommunizieren, in Interaktion treten? Wie können wir eine echte Verbindung aufnehmen und den Zuschauer mit auf unsere digitale Reise nehmen – egal ob in einem zweistündigen Online-Event oder einer zweitägigen Online-Konferenz.

  • Binde ich erfahrene Gestalter mit Kompetenz im digitalen Raum in meine Planung ein?

Schlussgedanken

Chris Cuhls: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ sagte Martin Buber. Er behält im analogen wie digitalen Raum Recht! Wir begreifen: Es ist nur ein anderer Kanal mit anderen Spielmöglichkeiten – am Ende geht es um Erlebnisse und Beziehung. Diese zu gestalten ist die Kunst und ein Vorrecht zugleich!"

Bettina Laux: „Was wir nicht vergessen dürfen in echten Verbindungen zu den Menschen, die uns wichtig sind? Mach etwas aus dem Herzen und habe eine ehrenvolle Absicht: Wenn du jemanden informieren möchtest, weil das was du hast, das Leben eines Menschen bereicherst, tue es. Und finde deinen Weg, ihn zu inspirieren."

 

Du möchtest noch tiefer einsteigen?

Chris Cuhls hat einige interessante Folgen zu dem Thema in seinem Podcast What’s Next? - Events im Wandel. Zwei Empfehlungen für den Strand, die Fahrt in den Urlaub oder zum Mars:

Hört mal rein - und es gibt noch etliche weitere, spannende und interessante Folgen.

 

Why How Wow – das Fachbuch über Online-Events von Chris Cuhls

Auf 160 Seiten gibt es das Best of der ersten drei Staffeln des Podcasts kompakt zusammengefasst: Sie sind u.a. diesen Fragestellungen gewidmet:

  • Wie erreichen wir mit Online-Events unser Publikum?
  • Was erzeugt auch zukünftig Wirkung und Emotion?
  • Wie sehen die Events der Zukunft aus?

Also, wie sieht’s aus - Sommerlektüre gefällig? Die gibt es hier.

 

Im Bild: Chris Cuhls mit seinem Buch "Why How Wow"

 

Vielen Dank an Bettina Laux und Chris Cuhls für Eure Einblicke, Gedanken und Einschätzungen in diesem Gastbeitrag - und die gute Zusammenarbeit seit Jahren.

Sie möchten mehr von uns erfahren? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter!

Machen Sie es wie 800+ Abonnenten und erhalten Sie regelmäßig frische Branchennews, Trends und Inspirationen sowie einen Einblick in unseren Agenturalltag. In nur 5 Minuten pro Lesebeitrag bringen wir Ihnen unsere neuesten Projekte und Insights näher.

Der Newsletter kann jederzeit wieder abbestellt werden und ist natürlich DSGVO-konform.