Wie eine Olive mir das lustigste Gespräch des Jahres bescherte

„Wenn Ihr Probleme habt, miteinander ins Gespräch zu kommen, nutzt einfach unsere Karten, auf denen wir ein paar Fragen, Aussagen und Interessensgebiete zusammengestellt haben, die beim Gesprächseinstieg helfen können; und wenn es „nur“ die Frage ist, ob man Oliven mag oder nicht.“


So oder so ähnlich beendete Helge seine Moderation vor der ersten Pause bei SHIFT19. Nun muss man wissen, ich bin zwar meist recht eloquent und schlagfertig, aber in der Tat habe auch ich schon Situationen auf Kongressen erlebt, in denen ich ein wenig verloren und einsam am Wasserglas nippend an irgendeinem Stehtisch in der Lobby stand und das Terrain sondiert habe; ich weiß also, was Helge meint. Auf fremde Menschen zuzugehen kann schon Überwindung kosten. Und die Idee mit dem Kartensatz fand ich ganz spannend. Außerdem ist es ja unsere eigene Veranstaltung, also quasi Heimvorteil, da kann man ja auch mal über den eigenen Schatten springen. Dachte ich.

Und wie ich mich so umschaue entdecke ich auch direkt jemanden, der – zumindest aus der Ferne – so aussah, wie ich mich in solchen Situationen eben auch manchmal fühle. Der Plan steht, an ihm werde ich meine gerade neu erlernten Kartentricks ausprobieren.

„Hi“, sage ich also als ich souveränst den Tisch entere. „Hallo“, sagt mein Gegenüber und schaut von seiner Tasse Tee zu mir auf. Ich setze mich. „Und“, frage ich, „wie ist das bei Dir mit den Oliven?“ Unverständnis macht sich auf seinem Gesicht breit. Komisch, ich fand mich eigentlich ganz witzig mit dem Bogenschlag zu Helges letztem Satz. „Oliven?“, fragt er. Na prima, das fängt ja gut an. Und fort ist die Souveränität. „Ja klar, Oliven“, grinse ich ihm entgegen. „Magst Du die oder eher nicht?“ Ich sehe das Fragezeichen auf seiner Stirn und meine in seinem Blick zu lesen, dass er an meiner Zurechnungsfähigkeit so seine Zweifel hat. Und auch ich beginne nun zu zweifeln, in erster Linie an der Idee mit den Karten.

Demonstrativ lege ich meinen Stapel vor ihn auf den Tisch und versuche aufzuklären. „Das war doch das Beispiel über das Helge gerade noch gesprochen hat. Oliven, eines der vielen Themen, über die man angeblich leicht ins Gespräch kommen kann.“ - „Oh“, sagt er, „ich bin gerade erst gekommen, ich hab´ noch gar keine Keynote mitbekommen. Und wer ist Helge?“

Ok, soviel dazu.

Also alles zurück auf Anfang. „Hi, ich bin Iris von ottomisu und Helge ist unser Creative Director und heute Moderator, der Mann mit der Mütze dahinten.“ Mein Gegenüber, so stellt sich heraus, wurde von einem unserer Relationship-Partner eingeladen und hatte bis dato noch keinerlei Berührungspunkte mit uns. Dafür bekomme ich jetzt endlich meine Antwort. „Ich liebe Oliven“. Leider steht das im krassen Gegensatz zu mir. „Und Du?“. Tja …

Und obwohl wir zunächst also auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, führen uns die Oliven zu einer Auflistung an Dingen, die wir mögen oder eben auch nicht, mit witzigen und unverhofften Wendungen („Olivenöl ist nämlich super“) und Erklärungsversuchen, was da wohl in frühkindlichen Entwicklungsstadien falsch gelaufen ist (offensichtlich einfach alles – sowohl bei ihm als auch bei mir).

Und so beginnen wir uns gegenseitig kennenzulernen. Wir reden über Tee versus Kaffee, über Musik und natürlich auch über Businessthemen. Neben der ein oder anderen Frotzelei und einer ganzen Menge Quatsch fließt aber auch viel Ernsthaftes und Ehrliches mit ein. Und wir erleben beide, wie sich so etwas wie eine Beziehung aufbaut und wir auf einer Wellenlänge liegen. Ich höre mich Geschichten erzählen, die ich lange nicht mehr erzählt habe - ein Phänomen übrigens, von dem mir im Zusammenhang mit unserer Veranstaltung später noch viele KollegInnen berichten werden.

Ist ja irgendwie auch logisch. Die Atmosphäre ist entspannt, unser Leitgedanke des Beziehungsaufbaus dominiert den Tag, ist erlebbar und real, weil jede und jeder sich darauf einlässt.Erlebbar wird aber auch, wie schnell fehlender Kontext (in diesem Fall Helges Einleitung, die mein Gesprächspartner leider verpasst hatte) zu Unverständnis führen kann. Auch darüber werde ich mal nachdenken.

Mir bleibt nur nüchtern festzustellen, dass ich an diesem Tag, in der sonst eigentlich von mir dominierten Disziplin „Quatsch quatschen“ meinen Meister gefunden habe; denn anstatt mit der mir ureigenen unbewegten Mine meine Pointen zu platzieren und über die des anderen vermeintlich cool hinwegzugehen, muss ich wie schon lange nicht mehr lachen, zum Parieren komme ich gar nicht mehr und von Gesprächsführung ist nichts zu spüren.

Was bleibt? Nun, wenn mir zukünftig eine Olive über den Weg läuft, werde ich mich gerne an ein wunderbares und unfassbar lustiges Gespräch erinnern. Ob ich mich deshalb mit ihr anfreunde? Wohl kaum. Aber sie wird mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Danke #SHIFT19.

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