Der Kreativität auf der Spur - mit Chris Cuhls

von Beke Alberring

Was genau ist Kreativität und wo versteckt sie sich, wenn wir sie am dringendsten brauchen? Zwischen Geistesblitz und Deadline, Intuition und Struktur sowie Genie und Wahnsinn liegt ein Zwischenraum, der viel Potenzial birgt – wenn man ihn mit Neugier betritt. Als Ablaufregisseur, Inszenierungs-Profi und kreativer Möglichmacher weiß Chris Cuhls, wie man dort kreative Funken zündet.
Unsere Beke ist der Kreativität im Bereich Content, Creation und Design auch immer wieder auf der Spur und wollte von ihm wissen, was Kreativität für ihn bedeutet, wie sie entsteht und wie man ihr gezielt nahekommt. Chris Antworten führen uns durch Denkprozesse, Perspektivwechsel und bis hoch über die Wolken.

Kreativität im Alltag

Beke: Chris, was bedeutet Kreativität für dich persönlich?

Chris: Groß gesagt, kann Kreativität jedes Problem der Welt lösen. Wir trotzen damit der Belanglosigkeit. In der Live-Kommunikation im Speziellen machen wir so bestenfalls etwas erlebbar, was Menschen inspiriert und transformiert.

Beke: Was inspiriert dich und wann fühlst du dich am kreativsten?

Chris: Inspiration finde ich überall: In der Musik, in Gesprächen, in der Natur, in der Kunst, in Museen...
Oft sind es nicht die „großen“ Quellen, sondern kleine Alltagsmomente mit meinen Kindern oder einfach das Leben, mit kleinen Details, die plötzlich eine Geschichte oder eine Dramaturgie ins Rollen bringen. Immer wenn das innere Kribbeln spürbar wird, habe ich eine Fährte…
Kreativ fühle ich mich besonders dann, wenn ich ganz bei mir bin und den Kopf frei für Neues habe. Diese innere Verbindung hilft, Originelles zu erschaffen. Solche Momente entstehen oft beim Laufen, in der Sauna, bei Gesprächen mit Menschen, die anders denken oder beim Fliegen. Ich habe kürzlich meinen Pilotenschein absolviert und muss sagen, die Perspektive von oben ist unbeschreiblich und führt zu Außergewöhnlichem. Manchmal reicht aber auch ein Spaziergang um den Block, ein Song in voller Lautstärke oder ein bewusstes Handy-weg-Ritual. Und klar: Deadlines sind natürlich immer ein Booster. 😉

Prozesse und Methoden

Beke: Wie gehst du ein neues kreatives Projekt an? Hast du eine bestimmte Herangehensweise?

Chris: Zuerst will ich immer herausfinden: Was soll nachher anders sein als vorher? Was wollen wir be-wirken? Dann gehe ich in die Stakeholder-Analyse: Was ist den Beteiligten wirklich wichtig? Wo gibt es eine Schnittmenge zwischen Anliegen des Absenders und Interesse des Empfängers? Dieser Raum lässt sich dann als Basis kreativ gestalten. Mal verstörend – um aufzuwecken. Mal berührend – um zu verbinden. Was immer angemessen wirkt.

Beke: Gibt es dabei Tools oder Methoden, auf die du regelmäßig zurückgreifst?

Chris: Tatsächlich recht unspektakulär – am Ende sind es einfach die Synapsen im Hirn, die sich befeuern. Ohne die geht’s nicht. Vor allem denke ich in Gesprächen mit Experten aus dem Netzwerk, das hilft mir am meisten. Und dann sind es einfach Notizen und später mal ein Storyboard, welches Struktur und Emotion verbindet. Ich starte oft mit 3 Spalten auf Papier: Fakten, Emotionen, offene Fragen. Allein das schafft Struktur und öffnet Räume für Spielerisches. Wenn es um Nutzerperspektiven geht, helfen auch Design-Thinking-Elemente.

Beke: Was tust du, wenn’s mal klemmt? Wenn der kreative Flow ausbleibt und die Synapsen sich nicht von selbst befeuern?

Chris: Loslassen und nicht verkrampfen. Einfach mal rausgehen und Abstand bekommen. Oft hilft es auch mit jemandem zu reden, der gar nichts mit der Sache zu tun hat – oft kommen da die besten Impulse. Wenn’s hakt, mache ich einen ganz banalen Perspektivwechsel – ich erzähle die Idee meinen Kindern. Wenn sie nur Bahnhof verstehen, weiß ich: da muss ich nochmal ran.

Kreativ im Team

Beke: Was macht für dich ein kreatives Umfeld aus und was brauchst du, um im Team kreativ arbeiten zu können?

Chris: Für mich ist es ein Ort, an dem Ideen nicht sofort bewertet, sondern weitergedacht werden. An dem Ping Pong gespielt wird. Wo ich auch mal spinnen darf, bevor sortiert wird. Ein Ort, an dem man neugierig sein darf und an dem Widerspruch erlaubt ist. Erst durch Verletzlichkeit kommen wir zu Ergebnissen, die später berühren. Das heißt unbedingt auch: eine unfertige Idee in die Runde zu werfen, bevor sie perfekt klingt. Das öffnet oft erst die Tür für Neues. Ich glaube dabei hilft es, wenn wir in Einklang mit unseren eigenen Emotionen sind. Wenn wir diese offen teilen, kommen wir zu ganz anderen Ergebnissen. Reibung gehört absolut auch dazu, sonst bleibt es oberflächlich. Es tut gut, sich gegenseitig zu inspirieren und unterschiedliche Perspektiven einzubauen. Wie Anais Nin sagte: „Wir sehen die Dinge nicht wie sie sind, sondern wir sehen die Dinge, wie wir sind.“ Das ist okay, aber begrenzt zugleich. Wir müssen die Dinge auch von anderen Perspektiven heraus betrachten. Egal ob aus der des Technikers, der Kostümbildnerin oder des Programmierers. Meine Sichtweise und Lebenserfahrung sind begrenzt – da kann ich auch nur begrenzt aus mir heraus- und nur bedingt über mich hinauswachsen. Wir brauchen einander für Exzellenz.

Kreativität und KI

Beke: Hast du bereits mit KI-Tools im Bereich Kreativität gearbeitet? Wenn ja, wie und bei welchen Aufgaben?

Chris: Klar! Zunächst war ich wahnsinnig frustriert von den Ergebnissen bei Chat GPT & Co. Schlüsselfertige Konzepte kommen da nicht raus – es braucht immer noch das fachliche Einschätzungvermögen, was den entscheidenden Unterschied macht. Aber zwischenzeitlich lernt man das Prompten und siehe da, KI gibt tolle Unterstützung bei Ideenfindung, Text- oder Bildimpulsen. Ganz praktisch nutze ich KI, um Headlines zu drehen. Wenn ich fünf Varianten sehe, merke ich oft selbst, welche Richtung wirklich trägt. Als kreativen Sparringspartner möchte ich KI daher nicht mehr missen. In jedem Fall ist KI ein Zeit-Booster, der Freiräume fürs Weiterdenken ermöglicht.

Beke: Dass KI uns bei der richtigen Nutzung einiges an Zeit ersparen kann, ist glaube ich in vielen Bereichen der Fall. Ist die KI im Bereich der Kreativität eine Konkurrenz, die kreatives Denken bald ersetzt oder ein kreativer Katalysator, der ergänzt?

Chris: KI ersetzt Mittelmaß – und das ist ja gut so. Geht es darüber hinaus, ergänzt sie. KI kann liefern, aber sie hat keinen inneren Kompass. Welche Emotion will ich beim Publikum wecken? Dieses Einfühlungsvermögen muss ich als Regisseur mitbringen.

Beke: Mal ganz konkret – was war ein besonders überraschender Moment mit KI?

Chris: Kürzlich die Ergebnisse von VEO3 erstellten Clips zu sehen. KI generierte, Charakter-konsistente Werbung anhand einiger kurzer Prompts – crazy!

Kreativität in der Konzeption

Beke: Du bist nicht nur Ablaufregisseur, sondern auch in einige Konzeptionen mit eingebunden. Wie findest du hier einen Einstieg in ein neues Konzept – durch Recherche oder Intuition? Hast du bestimmte Rituale oder Umgebungen, die dir beim Denken helfen?

Chris: Zunächst beginne ich mit der Analyse. Eine solide Recherche gehört auch dazu. Und dann ist es Intuition: Was könnte sich verfangen, was ist angemessen und was führt uns ans Ziel? Man könnte hier auch bestimmten Prozessen folgen – aber das ist doch das Schöne an der Kreativität: sie darf wild sein! Dinge scheinbar wahllos kombinieren und der eigenen Intuition folgen. Das braucht eigentlich keinen äußeren Raum, sondern eher Freiheit des inneren Raumes. An Orte gehen, die es so noch nicht gab und diese dann in die Realität gebären. Ganz praktisch hilft mir: Laptop zu, Notizbuch auf. Sobald ich handschriftlich kritzele, kommt der Kopf in eine andere Spur. Dabei bin ich selbst gefordert, nicht weiter durchs Unendliche zu scrollen.

Beke: Nach dem Start kommt dann ja auch irgendwann die Frage nach dem Ende. Wann ist eine Idee für dich „rund“?

Chris: Wenn sie sowohl Kopf, Herz, als auch Hand anspricht. Am besten sogar ohne Worte, weil wir uns mit dem Gespür verbinden und es tief in uns etwas anregt. Wozu es uns dann bewegt, das liegt immer im Blick der Betrachter.

Beke: Wie gehst du mit Kritik hinsichtlich deiner Konzepte um – beflügelt sie dich oder bremst sie?

Chris: Natürlich ist sie nicht immer einfach zu nehmen. Aber wenn sie konstruktiv formuliert wird, ist sie hilfreich. Kritik zwingt, schärfer zu werden.

Beke: Zum Abschluss nochmal ganz offen gefragt: Was wolltest du schon immer mal zum Thema Kreativität sagen?

Chris: Habt Mut – jeder Mensch ist kreativ. Kreativität ist kein Talent, sondern eine Haltung. Es geht darum, neugierig zu bleiben, Widerspruch auszuhalten und mutig miteinander Momente zu gestalten, die Wirkung entfalten. Probiert bewusst kleine Experimente im Alltag – stellt euch in Meetings eine ungewöhnliche Frage oder probiert eine verrückte Reihenfolge im Ablauf. Kreativität wächst, wenn wir uns erlauben, Fehler zu machen. Dann macht es am Ende auch richtig Spaß, Neues zu entwickeln!

Beke: Das ist der perfekte Schlusspunkt! Danke Chris für die spannenden Einblicke in deine Denkweisen, sowie deine Tipps und Tricks, wie du persönlich der Kreativität immer wieder auf die Spur kommst.

Wer noch mehr von und über Chris wissen möchte, schaut am Besten bei seinem Podcast vorbei. Hier gibt es jede Menge Folgen mit spannenden Gästen!

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