Unruhig, aber spannend
Genau sechs Monate ist es nun her, seit wir Jörn Huber, unseren CEO, für unseren Magazin-Beitrag „Vom Ziel her denken“ zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Veranstaltungsbranche interviewten. Inzwischen veröffentlichte das Research Institute for Exhibition and Live-Communication (kurz R.I.F.E.L.) eine umfangreiche Studie zum Re-Start der Eventbranche. Ein guter Zeitpunkt, um nachzuhaken: Was hat sich seit unserem Interview getan, welche wichtigen Erkenntnisse liefert die Studie und was können Unternehmen tun, um auch in einem volatilen Markt erfolgreiche Kommunikationsmaßnahmen und Events umzusetzen?
Als unser CEO und Vorsitzender des Branchenverbands fwd: gewährt Jörn Huber nicht nur Einblicke in die Entwicklung des eigenen Unternehmens, ottomisu, sondern teilt gleichzeitig seine Einschätzung über den Zustand der gesamten Branche.
Jörn, als hätte die Corona-Pandemie die Branche nicht bereits hart genug getroffen – nun kommt auch noch ein Krieg innerhalb Europas hinzu. Lässt sich bereits einschätzen, in welchem Ausmaß beides die Veranstaltungsbranche in Deutschland beeinflusst und auch zukünftig beeinflussen wird?
Dieser Krieg ist ein trauriges und einschneidendes Ereignis, das mich und das gesamte Team nicht nur menschlich zutiefst betroffen macht, sondern unsere eh bereits durch die Corona-Pandemie angeschlagene Branche zusätzlich unter Druck setzt.
Plötzlich wird das Planen eines Firmen-Events zum ethischen Dilemma. Wo Messen oder Events zunächst größtenteils aufgrund der Pandemie verschoben oder abgesagt wurden, werden sie nun aus Pietätsgründen abgesagt. Zusätzlich erschweren gestörte Lieferketten die Planung. Einige Events müssen verschoben oder abgesagt werden, weil schlicht die Produkte, die z.B. vorgestellt werden sollen, nicht rechtzeitig produziert oder geliefert werden können.
Ein trauriges Beispiel dafür, wie das Zusammenspiel aus diesen beiden Themen dazu führen kann, dass Kundenveranstaltungen umgeplant oder abgesagt werden müssen, erlebten wir kürzlich bei einem unserer Kunden. Geplant war ein Side-Event, das im Rahmen des diesjährigen Porsche Cups am Hockenheimring stattfinden sollte. Der gesamte Cup wurde jedoch abgesagt und somit auch das Side-Event. Abgesagt wurde der Cup aufgrund der Tatsache, dass Engpässe in den Lieferketten dazu geführt hatten, dass zu wenig Reifen für die Rennboliden verfügbar sind. Ähnliches hören wir aus der Automobilindustrie.
Eine weitere Auswirkung der Corona-Pandemie ist die Zurückhaltung beim Reisen. Früher konnte man mit konkreten Besucherzahlen rechnen. Da viele Menschen aktuell noch zögerlich sind, zu reisen oder an Großveranstaltungen teilzunehmen, sind diese schwerer planbar.
Während die Augen der Öffentlichkeit weiterhin besorgt auf die Ukraine schauen, wurden nun die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der R.I.F.E.L.-Studie veröffentlicht. Jörn, was kannst du uns über die Studie sagen?
Das R.I.F.E.L. (Research Institute for Exhibition and Live-Communication) hat eine Studie zum Re-Start der Eventbranche durchgeführt. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass diese vor dem Krieg gegen die Ukraine durchgeführt wurde und Einflüsse des Geschehens ab dem Beginn des Krieges nicht berücksichtigt werden konnten. Das bedeutet, dass die in der Studie erhobenen – z.T. ohnehin bereits dramatischen – Zahlen ein positiveres Bild von der Wirklichkeit zeichnen als es die wirkliche aktuelle Situation zulässt.
Was sind die aus deiner Sicht wichtigsten Erkenntnisse der Studie?
Im Großen und Ganzen bestätigen die Ergebnisse der Studie meine Einschätzungen von vor sechs Monaten.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass alle Befragten auf zwei Jahre mit hohen Umsatzverlusten – im Durchschnitt um 50% - zurückblicken. Die positive Nachricht ist, dass für dieses Jahr wieder mit einem Umsatzplus und einer entsprechend höheren Auslastung der Kapazitäten gerechnet wird. Zwar wird von den Teilnehmer*innen keine Gesamtauslastung der Branche erwartet, jedoch ist die Verfügbarkeit von vielen Gewerken im zweiten Halbjahr bereits jetzt nahezu vollkommen ausgeschöpft. Kritische Ressourcen sind beispielsweise Technikdienstleistungen und personalintensive Leistungen.
Dies ist durch den massiven Fachkräftemangel bedingt, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Gastronomie, Messebau und Agenturleistungen. Konkret reden wir über einen Verlust von 59% der Fachkräfte und Freelancer im Vergleich zu 2020. Dabei handelt es sich in erster Linie um Messebauer, Mitarbeiter*innen in den Bereichen Kreation, Content, Planung, Projektleitung und Eventmanagement.
Wir sind dankbar, dass wir uns bei ottomisu deutlich unter diesem traurigen Durchschnitt bewegen. Wir konnten die Anzahl unserer Mitarbeiter*innen halten und bauen sie sogar aus, worüber wir uns sehr freuen. Unsere hohe Vernetzung innerhalb der Branche hilft uns darüber hinaus, auf Engpässe gut reagieren zu können. Noch haben wir einige Kapazitäten verfügbar, jedoch bewegen auch wir uns in Richtung Vollauslastung.
Alle Ergebnisse der Studie des R.I.F.E.L. sind im Detail unter diesem Link einzusehen.
Was bedeuten diese Entwicklungen für das Preisgefüge von Veranstaltungen?
Durch den eklatanten Fachkräftemangel hat sich bereits zum Zeitpunkt unseres letzten Interviews eine Preisspirale in Gang gesetzt, die bis heute anhält und weiter anzieht. Der Krieg gegen die Ukraine verstärkt diesen Trend und die derzeitig entstehende Inflation tut ihr Übriges.
Menschen sind allerdings nicht das einzige Nadelöhr – auch im privaten Umfeld bleibt mittlerweile niemandem verborgen, dass auch im Bereich Material, Benzin und Energie massive Preisexplosionen und Lieferengpässe Einzug gehalten haben.
Bei gleichbleibendem Leistungsumfang und einer unverändert hohen Erwartung an die Qualität des Vorhabens muss also mit höheren Kosten kalkuliert werden.
Auch wir als ottomisu mussten bzw. werden unsere Preise in einem moderaten Maße anheben, um unseren hohen Qualitätsanspruch, ausgewiesene Expertise und professionelle Strukturen aufrecht erhalten zu können. Dies allerdings nur in einem sehr moderaten Maße, da unser Preisgefüge bereits vor der Krise auf einem auskömmlichen Niveau lag und wir bei den Preisdumpings der letzten Jahre nicht mitmachen konnten bzw. auch nicht wollten.
Wie können Kunden aus deiner Sicht auf diese Entwicklung reagieren?
Live-Kommunikations-Maßnahmen müssen in der Folge der Pandemie und des Krieges mit deutlich mehr Vorlauf geplant werden, damit die Ressourcen und Kapazitäten rechtzeitig allokiert werden können.
Aufwand und Kosten lassen sich durchaus reduzieren, wenn wir uns die richtigen Fragen stellen: Kann ich auf Unnötiges verzichten, Dinge einfacher und simpler gestalten, ohne an Wirkung zu verlieren? Gibt es smarte Konzepte und Lösungen, die mir dabei helfen? Kann ich Themen auf das Notwendige fokussiert angehen? Brauche ich die große Vielfalt, die früher angeboten wurde? Wieviel „Chichi“ braucht eine Veranstaltung? Was sind die Kostentreiber und sind diese elementar für den Erfolg meines Vorhabens?
Was ist heute darüber hinaus unerlässlich, um Veranstaltungen und Kommunikationsmaßnahmen zum Erfolg zu führen?
Um dem erhöhten Mitteleinsatz Rechnung zu tragen, ist die wohl wichtigste Frage, die sich alle Unternehmen nach wie vor stellen sollten, die nach dem Ziel und dem Zweck des Vorhabens. Immer wieder erleben wir, dass Kunden mit der Diskussion über das gewünschte Format in die Planung einsteigen - ein Ansatz, der häufig dafür sorgt, dass wichtige Potenziale der Markenbotschaft nicht ausgeschöpft werden und unnötige Kosten entstehen. Kurzum: Wenn Gesamtzusammenhänge nicht erfasst und berücksichtigt werden, wird am Zweck vorbeigeplant.
Getreu dem Motto „Medium follows content“ ist nicht das Format der Maßnahme führend, sondern das gewünschte Ergebnis. Die Expertise unserer Kunden ist ihre Markenbotschaft – sie dürfen darauf vertrauen, dass wir als Agenturen für Kommunikation und Events die Expertise mitbringen, ihr Ziel bestmöglich zu erreichen und sie hinsichtlich des geeigneten Formats verlässlich zu beraten.
Zudem sollten Kunden den strategischen Vorarbeiten und Überlegungen sowie dem Briefing ausreichend Zeit und Aufmerksamkeit einräumen. Maßgeschneiderte erfolgreiche Live-Kommunikation erfordert den aktiven Beitrag aller Stakeholder*innen. Je besser der Input, desto passgenauer die Strategie und das zu erwartende Ergebnis – und somit auch zielgerichteter Kosteneinsatz bzw. die Investition. Das ist ein Prozess, mit dem sich viele schwer tun und der oftmals dem zeitlichen Druck zu Opfer fällt. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es für alle Beteiligten einfacher ist, wenn diese Vorüberlegungen in einem frühen Stadium gemeinsam erarbeitet werden. Hierbei unterstützen wir unsere Kunden bei der Entwicklung immer wieder gerne, sozusagen in einer echten Co-Kreation.
Wie sieht dein Gesamt-Resümee aus?
Der Markt ist derzeit hoch dynamisch und volatil. Es bleibt auf jeden Fall noch eine ganze Weile unruhig, aber auch hoch spannend. Hohe Flexibilität und Agilität sind weiterhin Trumpf.
Insgesamt haben wir als ottomisu die Krise bisher gut gemeistert, da wir unser Portfolio bereits im Rahmen unserer Neupositionierung 2018 um den Bereich digitale und virtuelle Kommunikation erweitert haben. Darüber hinaus haben wir uns während der letzten beiden Jahre auch inhaltlich, strukturell und in Bezug auf unsere Kompetenzen und Ressourcen weiterentwickelt.
Wir freuen uns daher auf eine spannende und hoch dynamische Eventsaison 2022/2023.
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